Das Studio von Eva Meyer-Keller mutet wie ein Labor an. Röhren mit Flüssigkeiten und Schneidewerkzeuge sind zu sehen. Kameras und technisches Equipment. Ein Radicchio und eine Melone liegen auf den Tischchen. In den früheren Performances beschäftigte sich die Choreografin mit Modellen aus den Naturwissenschaften. Die neue Arbeit der Künstlerin, die sich an der Schnittstelle von bildender und darstellender Kunst bewegt, ist stark persönlich motiviert. In „Turn The P/Age" geht sie der Frage nach, was das Älterwerden für Frauen in unserer Gesellschaft bedeutet.
Eva Meyer-Keller ist jetzt 52, sie sel jetzt in der Perimenopause, berichtet sie freimütig. Schon seit zwei Jahren recherchiert sie zu dem Thema. „Wir wissen einfach viel zu wenig zu den Wechseljahren", stellt sie fest. Es werde nicht viel zu dem Thema geforscht. Bei vielen Frauen hat sie eine Verunsicherung beobachtet: Die wüssten oft nicht, was auf sie zukommt. „Wir müssen uns selbst ermächtigen, informieren und lernen und untereinander sprechen", sagt sie.
Das Projekt zum Thema Älterwerden mache sie auch, um selbst etwas zu lernen. Sie wolle aber auch auf Missstände beim gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema hinzuweisen. Eine große Anregung war für sie das Buch „Die kranke Frau". Die Autorin Elinor Cleghorn untersucht darin, wie Sexismus, Mythen und Fehldiagnosen die Medizin bis heute be-einflussen.
Auch Eva Meyer-Keller blickt zurück in die Medizingeschichte und untersucht die problematische Beziehung einer männlich dominierten Heilkunst zum weiblichen Körper. Ergänzt werden diese medizinischen Exkurse von persönlichen Geschichten der vier Performerinnen. Da ihre erprobten Mitstreiterinnen zu jung sind, arbeitet sie nun mit einem neuen Team zusammen: mit der Tänzerin Lisa Densem, der Schauspielerin Claudia Splitt und der Künstlerin Rhyannon Styles, die mit 45 die jüngste des Trios ist. „Sie ist Trans und hat eine ganz andere Art von Transformation durchlaufen, auch hormonell. Und ich finde ihre Perspektive total inspirierend", sagt Meyer-Keller. Ihr ist wichtig, dass unterschiedliche Perspektiven in das Stück einfließen. Jede der Performerinnen berichtet von den Veränderungen ihres Körpers. „Die Texte sind allerdings so bearbeitet oder ausgesucht, dass sie anschlussfähig sind für andere."
Eva Meyer-Keller will die überlieferten Narrative kritisch hinterfragen und einen anderen Blick auf den weiblichen Körper werfen. „Ich glaube, die Geschichte, die wir uns selbst über das Altern erzählen, formt auch die Möglichkeit, wie wir altern. Es geht darum wirklich andere Geschichten darüber zu erzählen." Und es brauche auch neue Bilder und Symbole. Da kommen der Radicchio und die Melone ins Spiel. In den künstlerischen Experimenten, bei denen auch die Videokamera zum Einsatz kommt, werden die Früchte und die Objekte ganz unterschiedlich verwendet. „Es gibt drei unterschiedliche Perspektiven in Handhabungsarten für diese Objekte: erstens operativ wie im medizinischen Bereich. Zweitens fürsorglich: Wir behandeln uns fürsorglich und so behandeln wir teilweise diese Objekte. Die dritte Art ist eine erotische, um mit den Objekten sexuelle Assoziationen hervorzurufen." Eva Meyer-Keller möchte mit ihrem Stück Mut machen. Eine Frau durchlaufe mehrere Transformationen in ihrem Leben. Es sei hilfreich, sich einfach mal die Frage zu stellen: Was für eine Frau will ich denn werden, mit 50, 60? Sie selbst sei noch mitten im Chaos der Wechseljahre, erzählt sie. Aber sie findet es inspirierend, gemeinsam mit den anderen die hergebrachten Sichtweisen ins Wanken zu bringen. Die Angst vor dem alternden Körper ist ein gesellschaftliches Symptom; dem wollen die furchtlosen Vier mit Fürsorge und Solidarität entgegentreten.