Good Hands, Schwungbein (Fanzine Tanz made in Berlin) 2005
von Mario Dietze
Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet, ich dachte ich gehe zu einer Tanzperformance ... “Das ist nur Performance, kein tanz” sagte die nette Frau an der Kasse. ich dachte gut, war aber etwas durcheinander, weil ich si auf tanz aus war, hatte eben die falsche Information. Egal, nun war ich unter Spannung, was wird wohl performt?
Nach kurzer Wartezeit durften die Zuschauer den Bühnenbereich betreten. Es gab einen großen Tisch, hinter dem sich ein backofen befand. Um diesen Tisch standen vier große runde Tische mit je 10 plätzen auf denen sich die Zuschauer niederließen. An jedem der runden Tische saß bereits eine Person, die hinter sich einen kleineren Tisch hatte, auf dem allerlei Sachen standen, wie zum Beispiel zwei Flaschen Bier, Cola, Teller, Gläser, Streichhölzer und weitere Dinge, die man so ais der Küche kennt.
Nun saß ich an einem dieser runden tische mit sechs mit fremden Personen und überlegte wofür wohl diese Dinge zu gebrauchen seien und welche Rolle die spielen würden. Als ich anfing mir darüber Gedanken zu machen begann die Performance bereits. Es wurde ein Kochbuch gezeigt, in dem ein Pfefferkuchenhaus zu sehen war und dazu gesagt, dass dieses in den nächsten 80 Minuten entstehen werde. So wurde der Teig angerührt, geknetet und ausgerollt. Der Zuschauer konnte mittels einer Kamera und zwei Monitoren genau verfolgen was in der Schüssel passierte. Ich fühlte mich ein bisschen in meine Kindheit zurückversetzt als ich Mama oder Opa bei der alljährlichen Plätzchenbäckerei zusah. Wie damals machte mir das zusehen Spaß, auch wenn ich nicht mithelfen konnte und vom Teig durfte ich leider auch nicht kosten ...
Ausgerollt kam nun der Teig für 20 Minuten in den Ofen, dann kamen die Akteure an den Tischen zum Einsatz. es wurden Tricks gezeigt, die man mit alltäglichen Dingen machen kann. ich kannte diese Dinge bereits aus meiner Kindheit und hatte sie nur vergessen. So wurden z.B. Eier in Fladchen versenkt oder Salzkörner zum tanzen gebracht, es wurden Vulkane gebastelt, Kunststücke vorgeführt und es gab sogar ein Feuerwerk. ich war begeistert und freute mich wie ein Kind, weil ich in Erinnerung schwelgte. Aber am besten war, dass die Zuschauer auch Akteure waren, mitexperimentieren und basteln durften. Also man hat viel gestaunt, gelacht, sich gewundert - man war selbst beteiligt, das fand ich sehr schön. Eine coole Idee.
Aber es ging ja auch um das Pfefferkuchenhaus, das nun von allen vier Akteuren, zusammengebastelt und dekoriert wurde. Als das Haus fertig war, wurde über diesem eine Diskokugel enthüllt und elektronische Musik gespielt. Die Zuschauer bekamen eine Kostprobe von den Pfefferkuchen. Eine Zündschnur, die aus dem Haus ragte, wurde dann entzündet - die Diskokugel fiel mit einem lauten Knall auf das Pfefferkuchenhaus und zerstörte dieses.
Ja, dachte ich, genau so viel Spaß wie das Herstellen macht auch das Zerstören. Wer kennt das nicht, Sandburgen zu bauen um sie später wieder einzureißen, eines meiner Lieblingsspiele, wenn ich mit meinen Eltern an der Ostsee war. Oder auch ein Pfefferkuchenhaus, dass Stück für Stück gegessen und somit zerstört wird. Danke für die unverhoffte Reise in meine Kindheit, wo jedes kleine Ding, ganz gleich ob Radiergummi oder Druckbleistift, wertvolles Spielzeug war. Ich hatte das bereits völlig vergessen, wie spannend ich als Kind Streichhölzer fand, sehr zum ärger meiner Mutter ...