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Kompressor – Magazin für Popkultur. Deutschlandfunk Kultur

Gesa Ufer im Gespräch mit Eva Meyer-Keller: „Heiße Jahre. Die Kunst entdeckt die Menopause für die Bühne“, Erstausstrahlung: 12. Februar 2025

Quelle:
Deutschlandfunk Kultur, Kompressor – Magazin für Popkultur, Gesa Ufer: „Heiße Jahre. Die Kunst entdeckt die Menopause für die Bühne“, ausgestrahlt am 12.02.2025. Verfügbar unter: https://www.deutschlandfunkkultur.de/heisse-jahre-menopause-jetzt-auch-auf-der-buehne-podcast-100.html

Chaos im Körper erleben viele Frauen mindestens zweimal im Leben: einmal mit der Pubertät und danach wieder in den Wechseljahren. Und obwohl diese Zeit genau die Hälfte der Menschheit betrifft, zählt die Menopause noch immer zu einem der größten Tabus. So ganz langsam scheint sich das zu ändern – durch Filme, durch Podcasts oder auch durch Bücher wie Auf allen Vieren von Miranda July, die diese Zeit als regelrechte Wiedergeburt beschreibt.

Die Choreografin Eva Meyer-Keller bringt das Thema Menopause jetzt als Stück auf die Bühne. Morgen hat Turn The Page Premiere in den Berliner Sophiensälen, und wir sprechen jetzt mit ihr. Hallo, schönen guten Tag!

Eva Meyer-Keller: Hallo, guten Tag.

Gesa Ufer: Wie sind Sie selbst auf dieses Thema gestoßen? Warum kam die Idee auf, überhaupt eine Performance daraus zu machen?

Eva Meyer-Keller: Also, ich beschäftige mich in meiner Arbeit generell gerne mit komplexen – und auch gerne naturwissenschaftlichen – Themen. Ich bin auch selber eine Frau, die in den Wechseljahren ist, und habe dann festgestellt: Wow, ich weiß viel zu wenig drüber. Es ist ein komplexes Thema – auf fachlicher, medizinischer Ebene, aber eben auch auf kultureller und gesellschaftlicher Ebene. Und ich habe einfach nicht genug dazu gefunden. Deswegen habe ich das zu einem Projekt gemacht – und das über eine ungefähr zweijährige Recherche oder Auseinandersetzung mit dem Thema. Es war so eine zweijährige Recherche, die morgen mit der Premiere zu einer Art Abschluss kommt.

Gesa Ufer: Recherche kann ich mir alles gut vorstellen. Was ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, ist, wie man das Thema jetzt in eine Performance gießt. Können Sie uns da möglicherweise mal so ein bisschen an die Hand nehmen und durchführen?

Eva Meyer-Keller: Also, rein visuell und ästhetisch arbeiten wir in der Performance auf der Bühne mit dem Motiv des Kreislaufs. Die Bühne ist nicht frontal, sondern die Zuschauer:innen sitzen auf zwei Seiten, also in so einer Art Kreis. Es gibt eine Leinwand, die diagonal in der Bühne hängt, und wir laufen immer nur in eine Richtung – eineinhalb Stunden lang, sozusagen.

Und aus diesem Weg – wie das im Leben eben auch so ist – entstehen und vergehen Dinge und Lebensphasen. Also auch, wie gesagt, in der Pubertät oder in den Wechseljahren oder in anderen Transformationen, die wir im Leben durchmachen: Da verlieren wir immer etwas, und es entsteht aber auch immer etwas Neues. Und so ist die Dramaturgie des Stücks, dass es nicht wie einzelne, abgetrennte Szenen voneinander ist, sondern eher wie eine Spirale – ein Kreislauf, in dem Dinge entstehen und vergehen.

Die Bühne sieht aus wie ein Laboratorium, erinnert eher an ein etwas komisches Theater. Die Objekte sind gemischt – aus der Alltagswelt und aus der Medizin. Es gibt viele Flüssigkeiten, und es gibt teilweise Videoprojektionen, bei denen wir reinszenierte Operationen an einer Melone oder so zum Beispiel beobachten können.

Und zu dem Visuellen und Körperlichen, das da zu sehen ist, gibt es fast so etwas wie ein Hörspiel – mit vorab aufgenommenen Tonspuren. Die sind teilweise aus Gesprächen, die wir geführt haben – also sehr informell –, teilweise aus Texten, die wir geschrieben und eingesprochen haben, und teilweise sind es Live-Konversationen, die wir auf der Bühne führen. Und das ist ein Geflecht, ja.

Gesa Ufer: Und wenn Sie von „wir“ sprechen, dann heißt das ja, Sie selbst sind auch mit auf der Bühne, gemeinsam mit – ich glaube – drei anderen Performerinnen, richtig?

Eva Meyer-Keller: Genau. Wir sind zu viert, vier Performerinnen auf der Bühne – und alle in derselben Lebensphase, kann man sagen. Also gut, fast alle. Drei von uns sind zwischen 50 und 60, und eine ist bald 43. Aber sie ist eine Transfrau und hat somit eine ganz andere Transformation – aber hormonell eben auch eine, die sie durchwandert hat, die ich persönlich enorm inspirierend fand.

Gesa Ufer: Kann ich mir vorstellen. Wir können ja mal ganz kurz hören – einen kleinen Ausschnitt aus diesen Tonprotokollen, von denen Sie gerade gesprochen haben. Interessant finde ich auch, Eva Meyer-Keller, diesen Aspekt, dass das Ganze ja so, eine Anmutung eines Labors hat – und das passt ja auch insofern gut, weil Hormone das große Thema sind im Moment. Es gab dieses Sachbuch Women on Fire von Sheila de Liz, das ja diesen Boom eigentlich nochmal befördert hat. Auch in meinem Umfeld nehmen viele, viele Frauen jetzt in den Wechseljahren Hormone.

So ein gewisses Unbehagen gibt es da aber auch, weil die wissenschaftlichen Forschungen eigentlich doch noch ziemlich in den Kinderschuhen stecken – und überhaupt: Frauenmedizin, ja, einem einfällt, die ist ganz lange vernachlässigt worden, oder?

Eva Meyer-Keller:
Ja, absolut. Und deswegen reden wir in dieser Performance nicht nur über unsere individuellen, persönlichen Erfahrungen, die wir in dieser Phase – und mit den Hormonen und diesem Transformationsmoment in unserem Leben – haben, sondern eben auch über Strukturelles. Wir haben zum Beispiel dieses eine Buch gelesen: Unwell Women (auf Englisch), auf Deutsch: Die kranke Frau von Elinor Cleghorn, in dem sie beschreibt, wie die Frauengesundheit über die letzten 2000 Jahre behandelt wurde – und das ist wirklich haarsträubend. Also: Vor 2000 Jahren dachte man zum Beispiel, die Gebärmutter wandert im Körper umher und ist für alle Krankheiten verantwortlich, die eine Frau haben kann.

Gesa Ufer:
Spitze – wie so ein kleiner Pac-Man, stelle ich mir gerade vor.

Eva Meyer-Keller:
(lacht) Ja, genau. Und das geht dann weiter, ne? Also, dass man dann irgendwie dachte – ja, diese sogenannte Hysterie… „Hysteria“ ist ja auch das Wort für Gebärmutter. Und das wirkt bis heute nach. Diese Mythen formen die Medizin von heute. Und deswegen entwickelt sich auch das Verständnis für Menstruation und Wechseljahre äußerst langsam, weil es eben so viele Vorurteile gibt – und oft auch gar kein echtes Interesse.

Gesa Ufer:
Was würden Sie sich denn wünschen, was Ihr Stück idealerweise bewirken kann – beim Publikum, aber vielleicht auch darüber hinaus?

Eva Meyer-Keller:
Also, ich finde es einfach wichtig, dass sich mehr mit dem Thema beschäftigt wird. Und zwar nicht nur in der Medizin – wobei natürlich auch im Gesundheitssystem dringend etwas passieren muss.

Zum Beispiel: Es gibt keinen offiziellen Abrechnungsposten für Wechseljahresbehandlungen. Frauenärzt:innen können einmal im Quartal etwa 18 € abrechnen – das war’s. Und in der Grundausbildung im Medizinstudium wird das Thema überhaupt nicht behandelt.

Aber auch abgesehen davon: Es ist ein gesellschaftliches Thema. Wie Sie am Anfang gesagt haben – über die Hälfte der Bevölkerung geht durch die Wechseljahre. Und damit ist wirklich jede einzelne Person betroffen – weil man bestimmt jemanden kennt, der oder die gerade in den Wechseljahren ist. In Deutschland sind das im Moment etwa 9 Millionen Menschen.

Es gibt ja auch diese Initiative „Wir sind 9 Millionen“, die unter anderem mit Miriam Stein ins Leben gerufen wurde – sie hat ja auch ein ganz großartiges Buch geschrieben. Oder zwei: Weise Frauen und Die gereizte Frau. Und durch solche Stimmen – wie Miriam Stein zum Beispiel – und durch diese Initiative tut sich etwas. Und trotzdem ist meine Perspektive als Performancemacherin, als Künstlerin eben: Ich gebe Einblick, ohne konkret Forderungen zu stellen, ohne eine Lösung zu haben. Weil das einfach komplex ist. Es ist ein persönliches Thema – und gleichzeitig ein gesellschaftliches, strukturelles. Und wir setzen uns damit auseinander. Und das ist ein Anstoß – einfach, um es sichtbarer zu machen.

Gesa Ufer:
Zu sehen morgen in den Berliner Sophiensälen – da feiert Turn The Page Premiere, das neue Stück der Choreografin Eva Meyer-Keller.



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