"Wenn Eva Meyer-Keller auf der Bühne ist, bastelt sie eigentlich immer. Und

immer lädt sie das Publikum ein, mitzubasteln – jedoch nicht unmittelbar an

ihrer Performance, sondern am eigenen Zuschauen, das so der passiven

Konnotation enthoben und zum aktiven Handeln wird.

 

Basteln ist zunächst jedoch ein Hobby. Die Bastlerin stellt aus

Grundmaterialien einen einzelnen Gegenstand her. Dabei folgt sie einem

Spieltrieb, denn der Spaß liegt vor allem in der Tätigkeit des Herstellens

selbst und nicht zweckgesteuert im Besitz des Gegenstandes an sich. Die

Materialien können völlig unterschiedlich sein: Glas, Holz, Metall, Papier,

Pappe oder Stein, Kronkorken, Bierdeckel oder Zündhölzer. Wie auch die

hergestellten Gegenstände mannigfaltig sind: Man bastelt Möbel,

Flaschenschiffe oder eben Performances.

 

Der Zweck einer Performance ist nie deren Besitz. Schließlich ist sie kein

Objekt, das man behalten kann. Auch wenn Objekte darin hergestellt werden,

ist eine Performance in der Hauptsache gekennzeichnet durch die Zeit, die

Performer und Zuschauer mit einander im selben Raum verbringen, nicht durch

das Material, das die Performance eventuell hinterlässt. Wie aber wird eine

Performance hergestellt?

 

Im Theater gibt es immer zwei Seiten – die Akteure auf der einen und die

Zuschauer auf der anderen. Diese beiden Seiten stehen, frei nach Dirk

Baecker, in einem nachbarschaftlichen Verhältnis, wobei die genauen

Mechanismen darin nicht definiert sind. Klar ist nur, dass es eine Grenze

gibt und Kontakte an dieser Grenze. Diese Kontakte schließlich führen zu

mehrfacher Sinnerzeugung. Im besten Fall wird die Nachbarschaft dabei zu

einer Komplizenschaft, durch die Akteure und Zuschauer aufmerksam und gerne

Zeit miteinander verbringen.

 

Jenseits der Prozesse in den Proben gibt es also einen Vorgang, der die

Performance eigentlich erst herstellt – die Aufführung selbst. Erst die

mannigfaltige Erzeugung von Sinn (in der doppelten Wortbedeutung von

Sinnlichkeit wie auch Bedeutung) durch die Zuschauer im Aufeinandertreffen

mit den Akteuren produziert das Stück. So wird das Zuschauen durch die

individuelle Anwendung unterschiedlichster Herangehensweisen zu einem

Basteln, bei dem der Spaß vor allem in der Herstellung von Sinn liegt und

nicht so sehr im Recht Haben oder Behalten in Bezug auf die Auslegung des

Geschehenen.

 

Wenn also Eva Meyer-Keller mit ihren Kollegen ihre Performance bastelt,

fordert sie die Zuschauer auf, ihrerseits an der Performance zu basteln, und

zwar an Standpunkten, Sichtweisen und Blickwinkeln. Geschick, „Good Hands“

also, beweist dabei nicht, wer den besten Trick, das schönste

Pfefferkuchenhaus oder die klarste Sichtweise hat, sondern wer sich einlässt

auf die mannigfaltige Komplizenschaft und Sinnerzeugung zwischen Akteuren

und Zuschauern, Geschehen und Zuschauen. Basteln im besten Sinn.

 

Martin Nachbar"



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