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Zerstörungsphantasien mit Sahne. Gedanken über die Zukunft | Patrick Primavesi, Jan Deck (Hg.): Stop teaching! Neue Theaterformen mit Kindern und Jugendlichen. Bielefeld: Transcript Verlag, S. 185-194. | 2014

von Eva Meyer-Keller und Sybille Müller

Die Texte sind entstanden aus Gesprächen mit: Gil Hantschke, Emma Hütt, Zebra Kirschning, Leo Pesch, Timon Prechtel, Gideon Renau, Lea Schirbel

0 | Das Projekt

„Bauen nach Katastrophen“ ist eine Performance mit Kindern für Erwachsene, in der gemeinsam mit den Kindern intuitive Katastrophenforschung betrieben wird. Im Basteln sind Kinder Spezialisten. Ihr Ansatz ist nicht konzeptionell, sondern entspringt einer natürlichen Entdecker- und Experimentierfreude. Die Kinder erstellen Katastrophenmodelle und zeigen das „Making of“ von Naturkatastrophen und Unfällen, indem sie in den Modellen das Eintreten der Katastrophe erzeugen.

Dadurch werden ganz nebenbei und spielerisch grundlegende physikalische Kenntnisse vermittelt. Unser Hauptziel ist jedoch die Kinder für die Folgen des Klimawandels mit den immer häufiger auftretenden Naturkatastrophen und vor allem auch für den Umgang mit medialen Bildern im digitalen Zeitalter zu sensibilisieren. Das Publikum kann die Katastrophen detailgenau auf Bildschirmen mitverfolgen, aber auch den Vorgang des Erzeugens live im Theater beobachten.

Wir haben mit verschiedenen Kindern in Parma (Italien), Hamburg (Deutschland) Stamsund (Norwegen) und Berlin (D) zusammen gearbeitet. Bei jedem Arbeitsprozess hat sich das Projekt weiterentwickelt. In Berlin haben wir schließlich angefangen mit Texten zu arbeiten. Diese Texte entstanden durch die Gespräche mit den Kindern während den Proben. Wir haben bei gegenseitigen Präsentationen oder Gesprächen ein Aufnahmegerät laufen lassen. Diese Aufnahmen haben wir später transkribiert und aus den Beiträgen der Kinder Texte entwickelt. Diese Text wurden dann in der Vorstellung von den Kindern vorgetragen, dabei hören sie über Kopfhörer den Text und sprechen ihn dann in ein Mikrophon.

Im Folgenden sollen die Texte, die durch den Probenprozess mit den Kindern entstanden sind zu lesen sein. Es wird drei Textteile geben. Im ersten Teil werden zwei Beschreibungen der Katastrophenmodelle, die die Kinder gebaut und in Szene gesetzt haben, vorgestellt. Der zweite Teil behandelt phantastische Modelle, die sie gebaut hätten, wenn alles möglich gewesen wäre und der dritte behandelt die Frage wie die Kinder die Zukunft sehen und ob sie davor Angst haben.

1 | Beschreibungen

Waldbrand

Also das soll ein Waldbrand darstellen.

Ich hab den Boden aus....

also ganz unten ist Kartoffelbrei,

dann hab ich da Kakaopulver rauf gemacht,

die Bäume hab ich hauptsächlich aus Streichhölzern, Zahnstochern

und diesem Backzeug gemacht.

Dann hab ich hier noch ein paar Pappeverbindungen.

Vielleicht klappt es,

vielleicht auch nicht.

Wenn’s nicht funktionier ist es auch nicht so schlimm.

Hier zündet man ein Streichholz an

und dann probier ich den Dominoeffekt zu erreichen

indem es hier anfängt

und sich das Feuer dann durch den ganzen Wald frisst.

Gideon

Überschwemmung/Dammbruch

Hier ist Wasser,

das kippe ich gleich rein.

Dann regnet es mit so nem Sprühgerät,

diesen Teil sieht man nicht in der Kamera.

In der Wanne ist Meerwasser drin,

das Wasser steigt,

dann zieht Leo hier,

an einem Stück Wischlappen,

dann bricht der Damm

und alles wird überschwemmt.

Der Damm ist aus Kartoffelpüree,

da sind noch so kleine Backerbsen drin,

das sollen Steine sein

und einfach so ein bisschen Verzierung.

Die Streichhölzer sind Stützbalken.

Hier sind alle Häuser aus Zuckerstückchen,

hier ist eine Schule,

hier sind zwei Wachtürme.

Timon

2 | Phantastische Katastrophenmodelle

Ich würde mir einfach einen riesigen Wetterballon kaufen,

der das Wetter verändern kann und so.

Ich würde dann einfach die ganze Welt zerstören.

Es gäbe überall Tsunamis und Tornados

und andere Katastrophen.

Es würde alles zusammen kommen.

Dann kommt noch so ein fetter Meteorit

und zerstört die ganze Welt.

Die Menschen sind schon auf dem Mond.

Die Kamera ist dann irgendwie im Weltall,

wie ein Satellit

und dann kommen ganz viele Meteoriten

von allen Seiten

und es macht Boum!

Ein neuer Urknall und alles fliegt in die Luft.

Timon und Leo

Ich würde das ganze Theater nehmen.

Dann kommt ein Flugzeug

mit einer durchfressenden Säure.

Das Flugzeug knallt da oben rein

und die Säure verätzt alle.

Gideon

Ich würde irgendwelche Menschen in klein züchten

und dann würde ich so ne Schule bauen,

Dann würde ich einen Schüler beauftragen einen Amoklauf zu machen,

der kriegt dann eine Pistole,

die ist auch klein gezüchtet

und dann ja...

Zebra

Als erstes würde ich ein ganzes Einkaufszentrum aufkaufen,

weil ich ein Erdbeben darstellen will.

Das wäre dann mit echten Menschen,

aber die wollen alle Selbstmord begehen.

Die würde ich über ein Interview aussuchen.

Ich würde die erstmal aufstylen damit die schön sterben,

weil das ist ja nicht schön, wenn die hässlich sterben,

dann würde ich die umstylen,

bisschen Haare, Make up, Klamotten

bis die gut aussehen auch wenn sie hässlich sind.

Dann müssen ein paar so Muskeltraining machen,

so wie bei „Germanys Next Topmodel“

Nur die Schönen sterben.

Dann würde ich so eine riesige Platte bauen,

dort würde ich die Menschen draufstellen

und würde noch so ein paar Häuser bauen lassen.

Ich bin da richtig reich irgendwie

und dann würde ich alles zusammenstürzen lassen.

So wie Zebras Idee nur in echt.

Das Einkaufszentrum ist das Einzige das überlebt.

Emma

3 | Zukunft

Es wachsen keine Pflanzen mehr,

die trocknen alle aus.

Der Nordpol wird schmelzen.

Vielleicht in 20 Jahren.

Die Inuits sterben...

und dann kommt da noch ganz viel Wasser.

Es wird viele Überschwemmungen geben.

Die Seite vom Ostbahnhof (Berlin),

also Mitte,

wird zum Meer.

Also ich werde dann am Strand wohnen.

Lea

Sie haben in Afrika kein Wasser mehr,

weniger auf jeden Fall.

Sie können ihre Pflanzen nicht mehr gießen,

dann haben sie kein Essen mehr,

dann sterben die Tiere,

dann haben sie kein Fleisch mehr

und sie können auch nichts trinken

und dann sterben sie.

Oder sie ziehen zu uns,

und dann kaufen sie sich auch Anziehsachen

und dann wird es noch dichter

und dann kommt noch weniger Wärme wieder raus

und dann wird’s noch heißer.

Lea

Wenn ich groß bin werde ich Wissenschaftlerin.

Ich werde mir einen Ozonbunker bauen.

Dann baue ich mir eine kleine Ozonschicht

so `ne extra Ozonschicht.

Da drin werde ich ein Feld aufbauen

und total einen auf Bio machen,

meine Ozonschicht werde ich pflegen

und immer schön anstreichen.

Lea

Ich persönlich hab selbst Angst.

Finde unsere ganze Welt eigentlich bloß Scheiße.

Wenn es nach mir ginge,

sollte die ganze Welt zurück in die Steinzeitepoche,

ohne Einkaufszentren,

ohne Nintendo,

ohne Handys,

ohne Abgase.

Die Welt würde dann wenigstens ein bisschen länger existieren.

Gideon

Ich baue mir auch so eine eigene Ozonschicht,

aber dann baue ich mir da drin eine Rakete

und fliege damit rum

und suche mir `nen neuen Planeten.*

*Wir leben irgendwie über unsere Kapazitäten.

es gibt so ein Programm das ausrechnet

wie viele Erden wir bräuchten,

wenn alle Menschen soviel Energie verbrauchen wie wir,

bei mir waren das 1,7 Erden.

Dann können wir ja gar nichts mehr machen.

Und nichts mehr essen.

Zebra

Kennt ihr McFit?

Man könnte McFit für die Energie nutzen,

also die Laufgeräte zur Energiegewinnung nutzen.

Der Hauptreaktor der Erde

sollte mit Hamstern betrieben werden.

Man könnte auch Meerschweinchen benutzen,

oder einen Strauss,

oder Zebras,

oder Esel mit Mohrrüben vorne dran.

Gil und Timon

Ich hab keine Angst vor der Klimaerwärmung,

weil...

wir haben das ja ausgerechnet,

dann bin ich ja schon achtzig

und dann ist die Möglichkeit,

dass ich da so langsam sterbe,

schon groß,

dann begehe ich Selbstmord

oder sterbe an Krebs.

Emma

Wenn diese komische Klimaerwärmung kommt

krepieren ja immer mehr Menschen

also wenn die dann alle sterben

dann wird es doch wieder kälter

Gil

Also wenn in Afrika wirklich niemand mehr leben will,

dann braucht ja keiner mehr das Land da.

Dann würde ich mir diesen Zipfel hier abhacken

und damit in ein kälteres Gebiet fahren.

Dort würde ich das Land verankern

und etwas anpflanzen.

Leo

Ich hab keine Angst vor der Zukunft,

weil ich denke dass die Menschen schon was erfunden haben,

wenn es soweit ist.

Also ich rufe ein paar Aliens an

und die kommen und retten uns.

Ich würde die Zukunft dadurch ändern,

indem wir jetzt was anderes machen

und nicht mehr reden.

Gil und Timon

Die Performance wurde ermöglicht durch den Hauptstadtkulturfonds und das Lofoten International Arts Festival Norwegen. Auf der Basis von Dokumentationsmaterial der Performance entstand 2010 der Film Von Menschen gemacht, der die Interaktion der Kinder während der Performance hervorhebt.

Biografien

Gil

Ich heiße Gil und bin 10 Jahre alt. Ich spiele Akkordeon und habe keine Haustiere.

Emma

Ich bin ‚geht so’ in der Schule. Ich seh ganz gut aus. Ich hasse fast alle Sportarten. Ich habe viele gute Freunde.

Zebra

Ich bin gut in der Schule. Ich habe sehr gute Freunde. Ich habe helle braune Haare und grüne Augen.

Leo

Ich mag nur verrückte Sachen, wie Fantasy-Drachen. Ich habe einen Hund und zeichne gerne (wie auch das Deckblatt). Ich will in jedes Land dieser Welt reisen.

Timon

Ich heiße Timon, bin 10 Jahre alt und wohne in Kreuzberg 36. Ich bin seit 3 Jahren in der Theater AG der Heinrich Zille Grundschule. In Italien habe ich den Ausbruch des Strombolis live miterlebt. Ich habe 2 Meerschweinchen.

Gideon

Ich möchte nichts schreiben.

Lea

Ich bin einigermaßen gut in der Schule und habe blonde Haare. Meine Freunde in der Gruppe sind Emma und Zebra. Die anderen nerven nur. Eva und Sybille sind nett. Ich schwimme gerne und spiele gerne Theater.



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